Inhaltsverzeichnis
Tag 1: Anfahrt nach Schweden
Stille! Endlich! Nur das Wasser unter mir gluckert leise und rhythmisch gegen mein grasgrünes Kajak, sonst ist nichts zu hören. Einige Meter weiter paddelt meine Freundin Bea sichtlich entspannt über den riesigen See und auch ich vergesse langsam die Anspannung der letzten zwanzig Stunden, die anstrengende Anfahrt mit Bus und Fähre und die vergangene Nacht, in der ich kein Auge zugemacht habe.
Keine Ahnung, was wir uns dabei gedacht haben, als wir diese Reise gebucht haben. Das Angebot war wohl einfach zu verlockend: Acht Tage Paddel-Abenteuer im schwedischen Dalsland inklusive Anfahrt, Outdoor-Ausrüstung samt Zelt, Kocher und Kajak für schlappe 320 Euro. Ein Angebot, das, so wie es scheint, vor allem von Jugendlichen gerne in Anspruch genommen wird, denn als wir am Frankfurter Hauptbahnhof in den Bus steigen, sitzen dort überwiegend grölende Teenies.
Der Fahrer ist wahnsinnig unfreundlich und hat die Ausstrahlung eines bissigen Rottweilers. Kein Hallo, kein Willkommen. Dafür eine knappe Ansage per Mikrofon, das wir die Toilette im Bus nicht benutzen dürfen. Na ja, von Frankfurt zu unserem ersten kurzen Zwischenstopp in Hamburg ist es ja nur ein Katzensprung und da auch die Klimaanlage nicht richtig funktioniert werden kleine Bedürfnisse eben einfach ausgeschwitzt. Ist ja Sommer!
Die Fahrt geht los. Schnell kommt Stimmung auf. Hochprozentiges macht die Runde und ich fühle mich schon bald wie auf einer Klassenfahrt nach Lloret de Mar. Nach „What shall we do with the drunken sailor“ und „Wir lagen vor Madagaskar“ in Dauerschleife erreichen wir Hamburg und laden dort am Hauptbahnhof die restlichen Schnapsnasen ein, die den Bus nun bis auf den letzten Platz füllen.
Und während wir so dahinfahren, kommt mir auf einmal ein Satz über die Lippen, von dem ich immer dachte, dass ich ihn nie sagen würde: „Ich glaube, ich bin zu alt für so was!“ Zustimmend nickt mir Bea zu und fragt sich wohl auch, wie es dazu kommen konnte, dass wir jetzt hier sitzen. Augen zu und durch!
Gegen zehn Uhr am nächsten Morgen haben wir unser Ziel endlich erreicht und steigen vor dem Outdoorcamp Bengtsfors aus dem Bus. Wir werden von einem deutschsprachigen Mitarbeiter herzlich empfangen und bekommen unsere Ausrüstung und die Kajaks zugeteilt. Schnell verstauen wir unsere Sachen in den wasserdichten Packsäcken und lassen unsere nun leeren Rucksäcke in einem alten Bootshaus zurück. Jetzt aber los! Unser Paddel-Abenteuer kann beginnen.
Nach einer Weile auf dem Wasser steuern wir eine der vielen kleinen Inseln an, die verteilt im See liegen. Schwungvoll fahren wir ans Ufer, steigen aus und ziehen die Kajaks an Land. Wir schauen uns auf der Insel um und beschließen nur das Nötigste auszupacken, denn auf der Insel gibt es eine halb offene Windschutzhütte, in der wir heute übernachten werden, eine Feuerstelle mit genügend Brennholz sowie eine windschiefe Trockentoilette. Das Zelt, den Kocher, die Säge und einige andere sperrige Gegenstände können wir also getrost in den Kajaks lassen. Wir rollen unsere Schlafsäcke in der Hütte aus, zünden die Holzscheiten an und werfen die mitgebrachten Bratwürste auf den Grillrost. Schon bald lodert das Lagerfeuer und leitet unseren ersten gemütlichen Abend in der schwedischen Wildnis ein.
Tag 2: Auf See
Da es so hoch oben im Norden während der Sommermonate einfach nicht richtig dunkel wird, war die erste Nacht für mich ein bisschen gewöhnungsbedürftig und so habe ich ziemlich lange gebraucht, um einzuschlafen, und bin auch schon recht zeitig wieder aufgewacht.
Als ich gegen sechs aus unserem Zelt schaue, ist der Himmel bereits strahlend blau und auch die Sonne blinzelt schon durch das grüne Blätterdach. Der neue Tag beginnt also vielversprechend. Gutgelaunt schlurfe ich mit meinem kleinen Kulturbeutel unterm Arm zur morgendlichen Katzenwäsche hinunter ans Seeufer.
Gedankenverloren kaue ich dort auf meiner Zahnbürste herum und beobachte eine kleine Kröte im hohen Gras, bis mich ein platschendes Geräusch unsanft aus meinen Tagträumen reißt. Bea schreitet nur wenige Meter entfernt mit großen Schritten und einem leeren Kanister hinein in das kühle Nass, um Wasser für das anstehende Frühstück zu schöpfen.
Mit dem Spirituskocher kommen wir gut zurecht und schon bald blubbert das Kaffee- und Teewasser munter vor sich hin. Noch einmal werfen wir einen Blick auf unsere Karte, dann packen wir die Ausrüstung in die Kajaks und los geht die Fahrt. Es erstaunt mich immer wieder, was man in so ein schmales Kajak alles hineinbekommt. Der See liegt spiegelglatt vor uns und wir gleiten mühelos durch das Wasser. Unterwegs legen wir immer mal wieder kurze Pausen ein und gegen Abend erreichen wir eine kleine Bucht, in der wir unser Nachtlager aufschlagen. Nach einem üppigen Abendessen sitzen wir noch eine Weile gemütlich auf den noch warmen Steinbrocken am Ufer und beobachten den Sonnenuntergang.
Tag 3: Auf See
Nach einem atemberaubenden Sonnenuntergang folgt ein am nächsten Morgen ein wunderschöner Sonnenaufgang. Während sich hinter uns der Himmel langsam zartrosa färbt, kleine violette Wölkchen vorbeiziehen und die orangefarbene Sonne immer höher steigt, bereiten wir unseren Frühstücksbrei zu, trinken Kaffee und filtern anschließend das Wasser aus dem See für unsere Trinkflaschen.
Dann geht die Fahrt auch schon weiter. Das Wetter ist immer noch gut. Ab und zu lege ich unterwegs einfach mal mein Paddel ab, lasse mich treiben und beobachte die Vögel, die über meinen Kopf hinwegziehen. Wir haben es nicht eilig und erst am späten Nachmittag finden wir eine kleine Insel auf der wir unser Lager für die kommende Nacht aufschlagen.
Tag 4: Fahrt nach Gustavsfors
Am nächsten Morgen hängen dunkle Wolken am Himmel. Es ist ziemlich windig. Wir beeilen uns mit dem Frühstück, waten in den See hinein und ziehen die Kajaks hinter uns her. Schon bereue ich, das ich meine Wasserschuhe gerade tief im Packsack verstaut habe, denn das Wasser ist ganz schön kalt.
Schnell steige ich in mein Kajak. Die Fahrt wird heute – wie erwartet – ein wenig turbulenter. Ich komme kaum gegen den starken Wind an und werde ganz schön durchgeschaukelt. Jetzt heißt es Balance halten und nur nicht kentern. Gut, dass wir schon bald den großflächigen See verlassen und seitlich in eine schmale Abzweigung hineinfahren, an deren Ende der Ort Gustavsfors liegt, den wir uns morgen genauer anschauen werden.
Für heute habe ich aber genug, mir tut jeder Knochen weh. Wir befestigen die Kajaks am Ufer und schlagen unser Zelt einfach mitten auf einem einsamen Waldweg auf. Nach einem warmen Tee, einer deftigen Suppe und jeder Menge Schokoladenkekse erkunden wir die nähere Umgebung und finden sogar einige Elchköttel im Gebüsch. Nur den dazugehörigen Elch, den haben wir leider nicht gesehen!
Tag 5: In Gustavsfors
Nachdem wir den gestrigen Tag überwiegend mit Faulenzen und Essen verbracht haben, machen wir uns heute zu Fuß auf den Weg in das nahe Gustavsfors.
Es geht zunächst noch ein ganzes Stück am See entlang, dann in den Wald hinein und nach einer guten halben Stunde erreichen wir schließlich eine alte Holzbrücke, die uns in den Ort führt.
Es gibt einen kleinen Hafen mit Schleuse und Anlegesteg, ein Restaurant, das leider geschlossen hat und einige rote Holzhäuser – Schweden, wie im Bilderbuch! Wir schlendern ein wenig umher, denn allzu viel gibt es dann doch nicht zu sehen, und stoßen eher zufällig auf eine deutsche Bäckerei, in der wir uns natürlich schwedische Zimtschnecken schmecken lassen.
Auf dem Rückweg schauen wir noch in einem Supermarkt vorbei und kaufen leckere Blaubeermuffins, ein Brot und eine Packung Würstchen für unsere Erbsensuppe, die wir abends dann – umgeben von zahlreichen Mücken – vor unserem Zelt köcheln.
Tag 6: Auf See
Mitten in der Nacht werde ich von einem schnaubenden Geräusch aus dem Schlaf gerissen. Ganz nahe höre ich ein Malmen, Kauen und Zupfen, wie bei einem Pferd, das sich über saftige Grasbüschel hermacht. Das muss ein Elch sein, der sich gerade direkt neben unserem Zelt einen kleinen Mitternachtssnack zu Leibe führt.
Langsam öffne ich den Reißverschluss, schaue hinaus und tatsächlich steht vor mir auf dem schmalen Waldweg eine stattliche Elchkuh, die scheinbar genauso überrascht ist wie ich. Sofort macht sie sich vom Acker und ist wenige Sekunden später schon nicht mehr zu sehen. Nur das dumpfe Hallen der großen und schweren Hufe ist noch eine ganze Weile zu hören.
Am Morgen fahren wir wieder auf den großen See hinaus. Unterwegs schauen wir uns eine Kirche und einen Friedhof mit alten, verwitterten Grabsteinen an und gegen Abend finden wir eine beschauliche Bucht und schlagen dort unser Lager direkt am Ufer auf.
Tag 7: Auf See
So langsam machen wir uns auf den Rückweg und paddeln nun auf der anderen Seite des Sees wieder in Richtung Kajakcamp zurück.
Einen ganzen Tag auf See haben wir aber noch vor uns und genießen das sanfte Gleiten durch das Wasser.
Das Wetter hat sich auch wieder gebessert. Der Himmel ist blau, die Sonne strahlt und am Ufer surren die Libellen durch das wogende Schilf.
Am Nachmittag erreichen wir eine schöne Insel und bauen zum letzten Mal unser Zelt auf. Nach einem Spaziergang rund um das kleine Eiland sammeln wir Feuerholz und entfachen am Abend ein gemütliches Lagerfeuer. Abschließend drehen wir noch eine kleine Abschiedsrunde und betrachten noch einmal die untergehende Sonne.
Tag 8: Zurück im Kajakcamp
Und schon bricht er an, unser letzter Tag in Schweden. Ein letztes Mal fallen die ersten Sonnenstrahlen des Tages durch die dünne Zeltwand und zeichnen helle Punkte auf meinen dunkelgrauen Schlafsack und zum letzten Mal werfen Bea und ich den Kocher an, um unser Porridge und das Kaffeewasser zu erhitzen.
Nach dem Frühstück bauen wir das Zelt ab, packen unsere Sachen zusammen und stopfen alles in die Staufächer unserer Kajaks. Deckel zu und ab aufs Wasser. Schon zeitig gleiten wir wieder über den noch ruhigen See und viel schneller als erwartet, taucht der lange Steg und das dahinterliegende Camp am östlichen Ufer vor uns auf.
Wir ziehen die Kajaks an Land, packen unsere persönlichen Sachen aus den wasserdichten Packsäcken wieder in unsere Rucksäcke um und fangen an, die Ausrüstung zu säubern und abzugeben.
Nachdem alles erledigt ist, schlendern Bea und ich gemütlich nach Bengtsfors, denn bis zu unserer Abreise ist noch jede Menge Zeit. Da es in dem kleinen Ort außer einigen Boutiquen und Imbissbuden nicht allzu viel zu sehen gibt, kaufen wir uns in einem Supermarkt etwas Proviant ein, setzen uns anschließend zwischen quakenden Enten an die Uferpromenade und schlagen dort die Zeit tot.
Entspannt verputzen wir neben Salamibrötchen, einem großen Camembert und Bananen auch unsere letzten Zimtschnecken auf dieser Reise. Mensch, was werde ich die vermissen! Die schmecken zu Hause – wie das ja oft so ist – einfach ganz anders.
Am Abend steigen wir dann vor dem Kajakcamp in den bereits wartenden Bus. Zurück geht die Fahrt durch das nächtliche Schweden mit wunderschönen Erlebnissen, tollen Erfahrungen und vielen Urlaubsbildern im Gepäck. Hejdå Sverige!
Tipps & Infos
Die Provinz Dalsland liegt direkt im Grenzgebiet zwischen Schweden und Norwegen und besteht zu einem Großteil der Fläche aus Wasser und zählt somit zu den besten Regionen für Kanu- und Kajaktouren in Europa. Das gesamte Gebiet eignet sich sowohl für Einsteiger als auch für geübte Paddler, da die Touren sehr individuell an jede Kondition angepasst werden können. Über 100 angelegte Rastplätze sind für Übernachtungen während der Paddeltouren an traumhaften und einsamen Stellen eingerichtet. Sie verfügen fast alle über Unterstände, Feuerstellen und Trockentoiletten. Außerdem gilt in Schweden das Jedermannsrecht. Das ist ein Gesetz, das es dir erlaubt, dein Zelt für eine Nacht beinahe überall aufzuschlagen (gilt für Gruppen bis zu 4 Personen, bei Gruppen ab 5 Personen müssen die angelegten Rastplätze angefahren werden). Beachte aber immer die wichtigste Grundregel beim Campen: Leave No Trace! Hinterlasse also keine Spuren und verlasse deinen Übernachtungsplatz so, wie du ihn vorgefunden hast.
Die Kajakbasis, das Outdoorcamp Bengtsfors, liegt direkt am wunderschönen See Lelång etwa 3 km außerhalb des Zentrums des gleichnamigen Ortes Bengtsfors. Es gibt dort neben den Kajaks und der dazugehörigen Ausrüstung auch Unterstellmöglichkeiten für dein Gepäck, Auflademöglichkeiten für das Handy, Duschen und mehrere Ferienwohnungen. Außerdem kannst du dort auch Angelkarten erwerben. Empfangen wirst du vom Team des schwedischen Meisters im Kajakfahren, Christian Dietz. Vom Camp kannst du problemlos nach Bengtsfors laufen oder du bestellst dir ein Taxi bzw. Transfer. Im Ort gibt es mehrere Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und kleine Restaurants.
Warst du auch schon einmal zum Kajakfahren in Schweden? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Du planst eine längere Paddeltour und hast keine Ahnung, was du alles mitnehmen sollst? Dann hilft dir vielleicht meine Packliste für Kajaktouren.
Ein schnelles Outdoor-Stockbrot-Rezept gibt’s hier.
Hinweis: Die Tour war eigenfinanziert, jedoch enthält dieser Artikel unbezahlte Werbung durch Markenerkennung/Markennennung, werbende Inhalte und/oder Werbelinks*. Mehr zum Thema Werbung auf meinem Blog liest du hier.
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